top of page
  • Autorenbild@Nika

Ma3lesh* Ägypten: Kairo kann Corona, aber Regen ist schwierig

Aktualisiert: 4. Juli 2020

Das ZDF Morgenmagazin hat heute berichtet, wie Ägypten sich gegen das Corona Virus wappnet: In der dicht gedrängten Millionenmetropole Kairo tragen einige Masken, andere überlassen das Thema dem Herrgott, und andere schützen sich traditionell wie vor einer Erkältung. Mit Salbei und ähnlichen Kräutern und Lakritzwasser, das die Abwehr stärken soll. Mag schon sein. Das ist aber nicht das Thema, das heute in Kairo interessiert. In der Schule würde man sagen: Thema verfehlt.


Apropos Schule. Am 11. März 2020 verkündete der ägyptische Ministerpräsident Mostafa Madbouli, unter anderem auf der offiziellen Regierungsseite im Internet, dass am Donnerstag, den 12. März 2020, landesweit alle Schulen und Universitäten geschlossen seien. Hintergrund ist eine Unwetterwarnung für das kommende Wochenende, die Gewitter, starken Regen sowie Sturm vorhersagt.


Es ist die dritte Regen bedingte Schulschließung in diesem Schuljahr. In London oder Kiel mag man darüber schmunzeln. Für Kairo ist das eine kluge Entscheidung.

Medien kündigen Schulausfall an (c) Cairo Scene

Mangels Abflussmöglichkeiten staut sich sämtlicher Regen in den Straßen. Unebenheiten, wie man die Schlaglöcher liebevoll nennen könnte, sind regennass nicht erkennbar, und die Straßennutzung wird für alle Beteiligten gefährlich. Größere Strassen werden regelrecht überflutet. Schulbusse, die aus der Innenstadt die Schüler*innen in die Außenbezirke bringen, brauchten anstatt der üblichen 1-2 Stunden an den Regentagen im Oktober und Februar 4-5 Stunden. Im Oktober kamen durch den Regen 11 Menschen, davon vier Kinder, ums Leben. Durch vermehrte Autounfälle und durch lose Stromkabel, die mit dem Wasser in Berührung kamen, so „The Associated Press“.


Die Schließung der Schulen wurde offiziell bestätigt. Ansonsten sind Nachrichten, die sich zu bestehenden oder bevorstehenden Krisen verbreiten, auf Vertrauenswürdigkeit zu hinterfragen. Im Zweifel ist die eigene Erfahrung in Kairo die beste Quelle. Für Donnerstag hatte der Wetterdienst 9 Stunden Regen angekündigt. Es verbreiteten sich Gerüchte, dass alles geschlossen bliebe und man nichts einkaufen könne. Tatsächlich rief auch der Zahnarzt an, um den Donnerstagtermin zu verschieben. Und Drinkies, der Alkoholbringdienst, versendete SMS an Kunden, man möge doch Mittwoch noch bestellen, Donnerstag sei zu.


In der Nacht musste es geregnet haben. Die nassen Straßen waren in Downtown Kairo morgens um halb acht leer. Das sind sie bis auf einige Taxen und Schulbusse aber um die Zeit meistens. Bei einem Spaziergang durch die Straßen nieselte es leicht und war sehr windig.

Über Nacht musste es geregnet haben

Downtown bereitete sich auf den Tag vor. Aus den Backstuben roch es nach frischem Brot, die ersten Händler spannten Sonnenschirme auf gegen den angekündigten Regen, die Patisserie Al Abd bekam Lieferungen. Es war kalt und ungemütlich. Man grüßt und nickt sich kurz zu mit denen, die auch draußen sind. Nicht selten mit einem verschmitzten Lächeln das sagen will „Na, was machst Du denn bei diesem Wetter hier?“.

Obst- und Gemüsestand Downtown Kairo vor dem Regen

Kurz nach neun waren der Brotverkäufer, der Kiosk und das Shisha Cafe dann geöffnet. Mit dem Wasser auf der Straße macht man das, was man sonst mit Staub und Müll macht: Mit einem Reisigbesen zur Seite fegen. Denn weder mit dem einen, noch mit dem anderen weiß man wirklich wohin. Seit zehn Uhr dann immer wieder Gewitter und heftige Regenfälle. Das Treppenhaus und der Innenhof mit den Fahrrädern steht seit Mittag unter Wasser, Stromausfall ab eins.

Hausmeister Mohamed im Innenhof

Das ist ärgerlich. Kein Strom bedeutet nicht nur kein Licht, sondern auch kein Wasserkocher, kein WLAN. Im Hausflur ist Licht. Der Hausmeister Mohamed versucht, den verstopften Abfluss im Innenhof zu reinigen und ist ungehalten. „Dann gibt es jetzt eben keinen Strom“ oder ähnliches brabbelt er in wenig verständlichem arabisch. Ayman, der Kioskmann im gleichen Haus erklärt hilfsbereit, das Haus hätte zwei Stromversorgungen. Da könne schon mal eine ausfallen. Als der Nachbar telefonisch nicht zu erreichen ist, gibt es nur ein „Ma3lesh*, kolo naumi“, alles schläft. Ein Ma3lesh* ist auch die Antwort des Hausmeisters Ashraf auf die Frage, wann denn der Strom wiederkäme. „Bald“.


Viele Straßen in Downtown stehen inzwischen unter Wasser, es ist wenig Verkehr, aus der Ferne hört man immer noch Donnergrollen.

Downtown Al Borsa Al Gadida nach dem Regen

Der „Mahwar“, die Zubringerstraße aus dem 6.-Oktober-Stadtteil nach Kairo, soll gesperrt sein. Kolleginnen berichten, Straßen seien wegen des vielen Matschs nicht nutzbar. Matsch entsteht nicht nur durch Sand auf den Straßen, sondern Sand von den Bäumen und Häusern und aus der Luft. Der Regen nimmt alles mit. Soeben verkündet der Krisenobmann per WhatsApp einen Zusammenstoß zweier Züge in Imbaba, Giza. Der Zugverkehr in ganz Ägypten sei eingestellt.


Die Ägypter nehmen alles gelassen.

Man schläft und wartet wenn möglich in aller Ruhe den Regen ab. Die Sonne wird die Straßen trocknen und die Ägypter werden alles putzen - Straßen, Autos, Läden und Fenster. Man wird weiter Lakritzwasser trinken und beten. Sollte es stimmen, dass ein Virus Wärme nicht mag, dann wird in den nächsten frühlingswarmen Tagen, die so zwischen 25 und 30 Grad versprechen, der ganz normale Alltag nach Ägypten zurückkehren. Dann braucht das ZDF ein neues Thema. Ma3lesh* ZDF.


*Ma3lesh = ägyptisch | mach dir nichts draus

bottom of page