„Journalismus in der Krise: Ein ausschlaggebendes Jahrzehnt“ ist Titel der Online-Pressekonferenz über die weltweite Zukunft des Journalismus am 21.4.2020. An dem Tag, an dem die RSF ihre Rangliste für Pressefreiheit veröffentlichen. Plakativ mit einer Weltkarte, die die Länder von weiß, Pressefreiheit gegeben, bis schwarz, keine Pressefreiheit, markiert. Auch ohne die dazugehörigen Statistiken zu lesen ist erkennbar, dass diese Weltkarte ziemlich düster aussieht.
Für die RSF Pressekonferenz sind JournalistInnen aus aller Welt eingeladen. 1.000 können sich registrieren. Ich bin eine davon.
17:45h – Ich bereite mich vor. Notizbuch, Stift, Handy auf Flugmodus und schon mal auf der Streaming-Plattform crowdcast.io einloggen. Registriert hatte ich mich bereits vor Tagen und war entsprechend aufgeregt. Kurzer Facebook Post und zwei Freundinnen auf WhatsApp informieren.
Der Index für die Pressefreiheit wurde im Oktober 2010 erstmalig von RSF veröffentlicht. Der Bericht spiegelt die persönlichen Erfahrungen von Journalisten aus 180 Ländern wider, die per Fragebogen von RSF gesammelt werden. Platz 1 belegt aktuell Norwegen, Schlusslicht auf Platz 180 ist Nordkorea. China verweilt unverändert auf 177. Syrien bleibt aufgrund des Krieges auf Platz 174, Journalisten arbeiten dort unter Lebensgefahr. Verschlechtert haben sich Haiti und die Komoren. Deutschland konnte einige Plätze nach oben krabbeln, bleibt aber wegen Hetze und Drohungen gegen Journalisten nur auf Platz 11.
17:59h – Ich bin pünktlich wieder auf der Plattform und formuliere im Bereich „Ask a question“ meine Frage. Über die Perspektive des Journalismus im Mittleren und Nahen Osten und welche Einflussfaktoren es in dieser Region geben könne, beispielsweise Bildung, um die Situation nachhaltig zu verbessern. Ob meine Frage den Referenten gestellt wird, ist abhängig davon, ob Konferenzteilnehmer für diese Frage ihre Stimme abgeben.
18:04h – Der Bildschirm zeigt „Video Streaming Preparing“. Ich trete, wie auch in meinem Blog, als Nika Kairo auf und sage im Chat „Hello from Cairo“. „Hallo aus...“ Texas, Tunesien, Indien, Paris, London, Brüssel, Deutschland, Mumbai, Brasilien, Chicago, Mexico, Taiwan, Kolumbien, Pakistan,New York, Kapstadt, Kashmir, Philippinen, Usbekistan, Ägypten, Riyad sind unter anderem die Antworten. Gefolgt von „Danke RSF für die Organisation“. Warten, dass es los geht.
RSF hat namhafte Referenten für diese Konferenz eingeladen:
Rana Ayyub, indische Journalistin und Autorin von „Gujarat Files: Anatomy of a cover up“, ein persönlicher Bericht über die Gujarat Unruhen in 2002. Heute ist sie Korrespondentin der Washington Post.
Maria Ressa, philippinische Journalistin, ehemalige CNN Korrespondentin für Südostasien und CEO des Online-Nachrichtenmagazins Rappler mit Sitz in Jakarta, Indonesien.
Joseph E. Stiglitz, ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften in 2001.
Die meisten Teilnehmer aber warten nur auf den einen Referenten.
18:12h – Der Ticker zeigt an, dass die Live Übertragung seit einigen Minuten läuft. Leider kann niemand weder ein Bild sehen noch einen Ton hören. Ein Kommentar lautet: „This is really journalism in crisis“. Fragen wie „wird ein VPN für die Übertragung benötigt?“ oder „bin ich der oder die Einzige, die nichts sieht?“ häufen sich. Nervöse Unruhe.
18:20h – Rana Ayyub meldet sich im Chat. Es gäbe technische Probleme aufgrund der hohen Teilnehmerzahl. Die Konferenz wäre live, das Streaming würde weder auf Youtube noch die Konferenz auf crowdcast funktionieren, man arbeite daran.
18:24h – Enttäuschung macht sich breit, die ersten verlassen die Konferenz. Die Enttäuschung ist so groß weil man gehofft hatte, die Referenten live reden zu hören und per Chat zeitgleich mit den weiteren Teilnehmern untereinander zu diskutieren oder gar seine Frage adressiert zu wissen. Eben dabei zu sein.
Insbesondere auf Edward Snowden als Referent waren alle gespannt. Snowdens Bezeichnung in Wikipedia lautet „NSA Whistleblower“. Er war IT Sicherheitsspezialist bei der CIA und soll heute in Moskau wohnen. Er ist Mitglied im „Board of Directors“ der „Freedom of Press Foundation“ und tritt vor allem in Online-Konferenzen auf.
18:49h - „Was ist mit unseren Fragen?“ Die Konferenz läuft, aber noch immer bekommen wir davon nichts mit.
18:50h – RSF-Team meldet sich erneut und entschuldigt sich. Es wären zu viele Teilnehmer in der Konferenz, man würde im Nachgang den Link zur Aufzeichnung senden. Ich gehe zum Gemüse schnippeln in die Küche.
„Reporters sans frontières, RSF“ wurde im Jahr 1985 als Non-Profit-Organisation gegründet. Auf ihrer Facebookseite verzeichnen sie über 262.000 Follower aus aller Welt. Sie vertreten weltweit die Freiheit des informierens und des informiert werdens. Die deutsche Vertretung „Reporter ohne Grenzen“ wurde 1994 gegründet und hat ihren Sitz in Berlin. Recherchieren, anklagen und unterstützen sehen sie als ihre Aufgaben, um Verstöße gegen die Presse- und Informationsfreiheit aufzuzeigen, erklären sie auf ihrer Internetseite. Weltweit sind 150 Korrespondenten und Korrespondentinnen für RSF tätig; in ganz Europa, im Senegal, in Taiwan, Tunesien und den USA. Sie finanzieren sich über Spenden, Mitgliedsbeträge und den Verkauf ihres Fotobuchs.
19:04h – Noch einen Blick auf den unveränderten Bildschirm. Rebecca vom RSF Team diskutiert mit Chat Teilnehmern und gibt Tipps zu Fachliteratur.
19.07h – Ich traue mich zu fragen. @Rebecca: „Habt Ihr technische oder politische Probleme?“ Rückfrage: „Du meinst bezüglich des Broadcast?“ „Ja“. Ihre Antwort lautet: „So viel ich weiß ist es ein Problem der technischen Kapazität“. So viel sie weiß. Kein „selbstverständlich".
Crowdcast.io wirbt auf seiner Internetseite für große Meetings mit tausenden von Teilnehmern. Selbst Teams von Microsoft soll eine Online-Meeting-Kapazität von bis zu 5.000 Teilnehmern haben. Die Konferenzkapazität war seitens RSF von vorneherein auf 1.000 Teilnehmer begrenzt. Die registrierten Journalisten befanden sich in unterschiedlichen Zeitzonen mit unterschiedlichen Internetauslastungen.
19:43h – RSF Team verkündet im Chat das Ende der Konferenz. Der Link zum Replay, der Aufzeichnung, würde uns per E-Mail zugehen.
22.22h – Bislang keine E-Mail und keine Aufzeichnung verfügbar. Und selbst wenn. Es wird sich anders anfühlen, als ein Teilnehmer einer Konferenz mit Edward Snowden und den anderen erfahrenen Referenten zu sein. Dabei zu sein, wenn live über die Zukunft des Journalismus diskutiert wird. Ja, das wäre was gewesen.
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