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Nicht überall, wo Restaurant dran steht...

In Ägypten haben seit Anfang Juli wieder Cafés, Bars und Restaurants geöffnet. Unter bestimmten Auflagen. Diese hatte die englische Ausgabe der Zeitung Al-Ahram bereits am 4. Juni veröffentlicht. Von begrenzten Kapazitäten, ausreichend Abstand und Hygienemaßnahmen war dort die Rede. Wie überall auf der Welt, würden wir das heute abgeklärt kommentieren. Leider ist im ganzen Land immer noch Shisha rauchen verboten. In Dahab bekommt man aber als Gast darüber hinaus von der Corona-Pandemie so gut wie nichts mit. Das ganze Leben spielt sich draußen ab. Es ist genug Sicherheitsabstand möglich und weder Lokale noch Strände sind überfüllt. Schön ist das. Auf der Promenade, die sich die ganze Küste von Laguna bis Assala entlang schlängelt, hört man gelegentlich Russisch, vor allem aber Arabisch. Sehr angenehm, hier viele Ägypter anzutreffen. Dahab ist entspannt und fernab vom typischen Handtuch-Touristen-Strandurlaub. Ein Kollege erzählt, er habe den Strand von Eel-Garden vor gut zwei Jahren noch fast unbebaut kennengelernt. Heute stehen auch hier direkt am Strand die Café- und Restaurant-Hüttchen, fast ein jedes mit einer Dachterrasse für laue Sommernächte unter dem Sternenhimmel. Traumhafte Riffs wie Eel-Garden oder Lighthouse sind vom Strand erreichbar. Nur noch wenig Strand vor den Riffs ist unbebaut. So nutzt man tagsüber zum Schwimmen oder Schnorcheln eines der unzähligen Cafés, die immer auch ein Stück Strand oder Meerzugang über eine Treppe ihr Eigen nennen. Die erste Reihe bietet oft Liegestühle, von denen man sich einen schnappt, seine Sachen darunter verstaut und zur Abkühlung ins Wasser springt. Als Dankeschön für diesen Service genießt man anschließend ein Kaltgetränk oder isst eine Kleinigkeit. So ist jeder glücklich. Wir hatten Hunger. Weit wollten wir nicht und entschieden, uns in Eel-Garden gleich in unserem Viertel an der Promenade zu treffen. Das schicke Fischrestaurant, eigentlich auch nur ein Hüttchen mit schicken Preisen, hatte für uns nur einen Katzentisch an der Promenade, fern vom Meer. Das Prime und das El Light geschlossen beziehungsweise Soft Opening ohne Essen. Im Eel-Garden-View-Restaurant teilte man uns mit, heute seien ungefähr 100 Leute da gewesen, man könne uns nur noch Pizza machen. Pizza in Anbetracht einer eventuell doch noch bevorstehenden Bikinifigur lehnte ich aus Kaloriengründen ab. Zu faul nach Lighthouse zu laufen und das Fahrrad im Hof zuhause, entschieden wir uns für den View-Restaurant-Nachbarn, das Café und Restaurant El Diamond. Zum Essen saßen wir drinnen an einem Tisch, freuten uns aber, als draußen am Strand ein Platz mit Meerblick auf Beduinenteppichen frei wurde. Wir erhielten zwei Speisekarten mit der Erklärung, eines sei eine indische Speisekarte, die andere sei chinesisch. Unsere Bedienung war sehr freundlich, sah aber weder indisch noch chinesisch aus und konnte uns auch keinerlei Auskunft über die angebotenen Speisen geben. Während der Bestellung stutzte ich kurz, denn die Bestellung wurde ins Handy eingetippt. Überhaupt schien das Handy während des gesamten Bestellvorgangs eine wichtige Rolle zu spielen. Wir erhielten relativ zügig unsere Getränke, auf das Essen mussten wir jedoch gut 45 Minuten warten. Ich sah mich um und konnte keine Küche entdecken. In den Hüttchen findet sich in der Regel immer nur eine Kaffee-Ecke, in der Kaffee und frische Säfte zubereitet und Getränke aus dem Kühlschrank angeboten werden. Die Hütten sind quasi nur die Strandfiliale eines auf der anderen Promenadenseite gelegenen Restaurants. Dort sind Garten und Restauranträume, oft eine weitere Dachterrasse, Küche und Waschräume zu finden. Gegenüber vom El-Diamond liegt ein Apartmenthaus. Nach Restaurant sieht da nichts aus, aber noch bin ich optimistisch. Mein Kollege wundert sich inzwischen mit mir und murmelt, möglicherweise hätte ich recht. Und tatsächlich. Nach einer guten Dreiviertelstunde huschte unsere Bedienung mit einer Tüte in der Hand in das Restaurant und verschwand hinter der Kaffee-Bar. Einige Minuten später stellte man uns Pappschüsseln und Plastikbesteck auf den Tisch. Das da sei indisch, das da sei chinesisch gab es noch als Erklärung dazu. Wir sahen uns an und schmunzelten. Geschmeckt hat es, aber unter Restaurant hatten wir uns etwas anderes als Delivery-Service vorgestellt. Der Begriff „Gaststätte“ umfasst nach dem deutschen Gaststättengesetz die „Schankwirtschaft“ (das heißt, Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle ausgeschenkt) und die „Speisewirtschaft“ (das heißt, zubereitete Speisen werden zum Verzehr an Ort und Stelle angeboten). Sowohl in Ägypten als auch in Deutschland braucht es jede Menge Genehmigungen und Papierkram, um eine Gaststätte zu eröffnen und zu führen. Es geht dabei um Baurecht, Hygiene, Verarbeitung von Lebensmitteln, Schankrechte und die Konzession. Nirgendwo war die Vorschrift zu finden, dass das Essen direkt vor Ort zubereitet werden muss. Enttäuscht waren wir trotzdem aber auch belustigt über die Kreativität der Ägypter. Zunächst überlegten wir auch noch, ob das eventuell mit Corona zu tun hätte. In Dahab sind Plastiktüten seit Juli des letzten Jahres aus Umweltschutzgründen per Gesetz untersagt. Dieses soll nur einer erster Schritt sein, um die Unterwasserwelt rund um Ägypten von Plastikmüll zu befreien. Daher sind Baumwolltaschen, Einwegbesteck aus Holz ähnlich der traditionellen Pommesgabel sowie Pappbecher keine Seltenheit und gerade auch in Coronazeiten eine hygienische umweltfreundliche Lösung. Ich konnte es mir aber nicht verkneifen, beim Nachbarn im Eel-Garden-View-Restaurant, in dem ich gerne die frühabendlichen Stunden nach dem Radfahren oder Schwimmen verbringe, nach seiner Küche zu fragen. Ich bekam die Menü-Karte und fragte, ob es eine eigene Küche gäbe. Die Antwort lautete: "Ja, hier kannst Du essen". Ich erwiderte, dass ich das wisse und dass der Hintergrund meiner Frage sei, ob sie das Essen selbst zubereiten oder sich das liefern lassen. Ich wurde etwas verdattert angesehen und man bestätigte mir die hauseigene Küche. Tatsächlich gab es als Huhn-Variante auch nur das Curry mit Gemüse, das aber auf einem Teller mit hübschen Tomaten-blumen und fein dekorierten Gurken-scheiben und Meerblick. Mit richtigem Besteck, die Cola Zero aber aus einem Plastikbecher. Im Gegenzug konnte man es sich dann aber nicht verkneifen zu fragen, wie ich denn auf so einen Blödsinn mit dem Delivery-Service käme. Ich erzählte von dem indischen und chinesischen Essen in Pappschüsseln beim Nachbarn. Das verdutzte Gesicht erhellte sich, ein kurzer Lacher und der Kommentar: "Ach so. Na die sind neu und müssen sowieso noch ganz viel lernen." Kicherte und verschwand.

Nicht überall, wo Restaurant dran steht...
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