Wenn ich in Kairo im Musikunterricht in der Grundschule frage, wer denn wisse, was eine Oper sei, dann gehen viele Hände in die Höhe. Ich bekomme dann erzählt, dass die Oper auf der Nilinsel Zamalek sei. Und muss dann korrigieren, dass ich mit einer Oper ein musikalisches Werk und nicht das Opernhaus meine. Korrekter- und peniblerweise müsste mein heutiger Titel auch heißen "Das Opernhaus Kairo...". Umgangssprachlich bezeichnet man jedoch auch ein Opernhaus als Oper, und somit liegen die Schüler damit nicht falsch. Das heutige Opernhaus wurde im Jahr 1988 eingeweiht, und daher verspricht das Plakat eine Feier zum 32-jährigen Bestehen des Opernhauses.
Das erste Opernhaus in Kairo war "The Khedivial (Royal) Opera House", das im Jahr 1869 anlässlich der Einweihung des Suez-Kanals von Khedive Ismail in Auftrag gegeben wurde, so die Internetseite der Oper Kairo.
Zur Einweihung des Opernhauses wurde Verdis "Rigoletto" aufgeführt. Khedive Ismail hatte jedoch eigens bei Verdi eine Oper in Auftrag gegeben, um die glorreiche Geschichte Ägyptens zu erzählen. Die berühmte Oper "Aida" wurde zwei Jahre nach Einweihung des Opernhauses fertig. Das Royal Opera House in Kairo war die erste Spielstätte in Afrika, in der berühmte Opern sowie sinfonische Werke aufgeführt wurden. Leider brannte es am 28. Oktober 1971 ab. Das heutige Opernhaus wurde im Jahr 1988 vom damaligen Präsidenten Hosni Mubarak und dem Prinzen Tomohito von Mikasa feierlich eingeweiht. Die Grundsteinlegung erfolgte drei Jahre zuvor, das Opernhaus wurde mit massiver Unterstützung durch das "Japan International Cooperation Agency (JICA)" errichtet. Das Opernhaus als "Nationales Kulturzentrum" beherbergt unterschiedliche Ensembles mit unterschiedlichen Musikrichtungen, westlich und arabisch. Den Vorsitz hat seit dem Jahr 2018 Magdy Saber. Zum "Nationalen Kulturzentrum" gehören heute (Reihenfolge Internetseite Oper Kairo):
• Abdel Halim Nowera Ensemble for Arab Music (Ensemble für arabische Musik)
• Cairo Opera Ballet Company (Ballett)
• Cairo Opera Company (OpernsängerInnen)
• Cairo Symphony Orchestra (Sinfonieorchester)
• Cairo Opera Orchestra (Opernorchester)
• The National Arab Music Ensemble (Nationales arabische Musikensemble)
• Religious Song Ensemble (Religiöses Gesang-Ensemble)
• The Heritage Ensemble for Arab Music (Ensemble für alte arabische Musik)
• The Egyptian Modern Dance Theatre Company (Modernes Tanztheater)
• Cairo Opera Choir (Opernchor)
• A Capella Choir (Chor des Sinfonieorchesters)
• Alexandria Opera Ensemble for Music and Arab singing (SängerInnen für Oper und arabische Musik in Alexandria)
Wie bereits aus der Zusammenstellung der Ensembles erkennbar ist, verpflichtet sich das "Nationale Kulturzentrum" sowohl der westlichen Musik und deren klassischen und zeitgenössischen Werken, als auch der arabischen. Sie treten in Kairo und Alexandria regelmäßig und in ganz Ägypten und international zu Gastspielen auf.
Mit Beethovens neunter Sinfonie wurde das Jubiläum gefeiert.
Anlässlich des Jubiläums der Kairoer Oper und dem Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag Beethovens, wurde Beethovens neunte Sinfonie aufgeführt, eingegliedert in die Konzertreihe aller Beethoven-Sinfonien. Eigentlich war dieses Konzert bereits für März geplant, musste aber aufgrund von Corona verschoben werden. Der Nebeneingang von Seite Tahrir war dann auch wegen Corona geschlossen, nur der Haupteingang war zugänglich. Etwas mühsam, im schwarzen Kleid mit hohen Schuhen einmal um das gesamte Gelände zu laufen. Begrüßt wurde man sowohl zum Eingang des Geländes, als auch zum Eingang der Haupthalle mit einer Desinfektionsdusche, durch die man laufen musste. Die Helfer am Einlass waren freundlich, man scherzte und es war Maskenpflicht. Im Konzertsaal selbst war jeder zweite Sitz hoch geklappt und mit einem roten Bezug versehen, so dass man gar nicht in Versuchung kommen konnte, sich direkt neben seinen Nachbarn zu setzen. Im Sinfonieorchester saßen einige MusikerInnen mit Maske, im A Cappella Chor niemand. Ansonsten war alles fast wie immer. Das in 1959 gegründete Sinfonieorchester wurde von Ahmed Saedi dirigiert, der das Orchester bereits im Jahr 1990 als erster Dirigent übernahm und es somit bereits 30 Jahre leitet. In der Vergangenheit zuckte man bei einigen Aufführungen manchmal etwas zusammen. Sei es aufgrund Patzer in den Bläsern, oder weil man das Gefühl hatte, das Orchester fällt auseinander. Passiert ist es nie, in letzter Sekunde haben sie sich immer wieder gefangen. Diesmal hatte das Orchester einen wunderschönen Klang, und in den ersten beiden Sätzen stach die Virtuosität der Holzbläser hervor. Die Flöten, zum Teil in neuer Besetzung, die jedoch offiziell nirgendwo vermerkt ist, strahlten und verliehen dem Orchester Glanz. Mir ging es jedoch so, dass ich zwar die Sinfonie genoss, heimlich aber eigentlich nur auf den vierten Satz wartete. Mein Herz ging auf, als die Celli und Kontrabässe mit sanft sonorem Unisono das allseits bekannte Thema "Freude schöner Götterfunken" ausdrucksstark interpretierten. Emotionen. Als erster Solist beeindruckte der preisgekrönte Bass-Bariton-Star der Kairoer Oper, Reda El Wakil, der unlängst seinen sechzigsten Geburtstag feierte. Er sang seinen Part auswendig und artikulierte in einwandfreiem Deutsch, ein bisschen abgehackt, dafür aber verständlich. Amr Medhat als Tenor kannte ich ebenfalls bereits aus eigenen Aufführungen mit der Cairo Choral Society und freute mich über einen kraftvollen, souveränen Tenor. Jolie Fazit beeindruckte mit einem soliden Altpart und einer wunderschönen Stimme, ging aber leider neben Iman Moustafa ein wenig unter.
Iman Moustafa, Sopran, ist die künstlerische Leiterin der "Cairo Opera Company" und wird auf der Internetseite der Oper als "Star" verehrt. Sich dessen bewusst sang sie leider auch so, ihre Sprache fast unverständlich und die hohen Töne mehr gejuchzt als gesungen. Sehr theatralisch, in meinen Augen für Beethoven's Neunte aber ein bisschen zu viel des Guten. Der A Cappella Chor in gewohnter Weise souverän und mit erfreulich flüssigem Deutsch. Beeindruckt haben dann zum Finale die Blechbläser, besonders von der Bassposaune war ich fasziniert. Alle Posaunisten sind Schüler des ersten Posaunisten, Zafar Asimov, der in Beethoven an der selten zum Einsatz kommenden Altposaune agierte. Leider ist es etwas schwierig, auf den unübersichtlichen Internetseiten der Oper Kairo und des Sinfonieorchesters das Programm ausfindig zu machen und Tickets zu buchen. Für diesen gelungenen Abend danke ich daher Zafer, dass er mit einer "Invitation" für die Loge aushalf. Über weitere tolle Konzerte des Sinfonieorchesters, das übrigens von 2003 bis 2012 von Inès Abdel Daïm, der heutigen ägyptischen Kulturministerin und Flötistin geleitet wurde, wird Zafer mich dann sicher auch auf dem Laufenden halten. Denn in der Cairo Bigband Society darf ich unter anderem mit ihm als Kollegen Posaune spielen. Daher übe ich derzeit täglich, unsere nächsten Konzerte sind nämlich Anfang und Mitte November im Jazzclub Kairo und auf dem Cairo Jazzfestival.
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