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Außergewöhnliche Umstände

Coronabedingt - und ich hasse diesen Ausdruck- bin ich die letzten Male Business-Class geflogen. Kein langes Warten und Anstehen, nicht mehr Kontakt zu Fremden als zwingend notwendig. Ausruhen und Arbeiten und Essen in einer Lounge. Ganz so hat das nicht geklappt wie in meinen Vorstellungen, aber fast. Die Business-Lounges in Kairo sind ordentlich, die Mitarbeiter freundlich, die Toiletten sauber, das Essen abgepackt. WLAN funktioniert. Schlicht und ordentlich und rund um die Uhr geöffnet. Deutsche Lounges haben begrenzte Öffnungszeiten. In München ist die Business-Lounge ist von 05.30h bis 22.00h geöffnet, die Business Lounge in Wien von morgens 05.00h bis abends 19:00h, die Lounge in Düsseldorf schließt auch um 19.00h. Im Herbst gab es in München noch Buffet mit Vor- und Nachspeise und warmer Hauptmahlzeit, dazu Wein, Bier und alkoholfreie Getränke. In Düsseldorf und Wien werden derzeit Getränke, also Wasserflaschen, Kaffee und Tee, sowie abgepackte Speisen ausgegeben. Verzehren in der Lounge darf man sie nicht, nur mitnehmen. Zumindest hat man dann am Gate etwas zu beißen. WLAN funktionierte auch überall, und es war überall sehr leer. Auf meiner Reise sprach ich mit einem Mitarbeiter von Eurowings. Er vermutete über die Weihnachtstage eine Auslastung von 10% im Vergleich zum Vorjahr. Von dem Egyptairflug in der Businessklasse war ich begeistert. Das Bordpersonal sieht etwas lustig aus mit ihren Schutzanzügen, aber das hat mich nicht gestört. Der Service war prima, und ich bekam sofort eine Wasserflasche und ein Corona-Schutzpaket in die Hand gedrückt. Mit Maske, Desinfektionsmittel u.a.. Menükarte, breite Sitze mit Relax-Funktion, Kopfhörer, Filme, alles da, das Essen gut, und ich genoss echte Gläser, Teller und Besteck. Meine Begeisterung wurde beim ersten Business-Flug mit Austrian noch übertroffen, und ich war überzeugt, dass Business fliegen genau das richtige für mich ist. Zumindest für eine Weile. Es gab nicht nur Relax-, sondern echte Liegesitze, mit denen man flach liegen und schlafen konnte. Die Sitze hatten Massagefunktion, und es gab eine breite Ablagefläche und einen gefühlt riesigen Screen für Filme und Musik. Alles sehr schick und bequem. Unter dem Gesichtspunkt Corona allerdings etwas dürftig, lediglich ein Desinfektionstuch erhielt jeder Passagier beim Eingang. Die Businessabteile waren immer recht leer, oft war ich sogar alleine im Abteil, so dass dieser Punkt hinsichtlich reduzierter Ansteckungsgefahr genau richtig war. In puncto Komfort wurde ich aber die darauffolgenden Flüge sehr enttäuscht. In kleinen Maschinen und Kurzstreckenflugzeugen, so klärte mich eine Mitarbeiterin von Austrian Airlines auf, gibt es keine ausgewiesenen Businessitze. Lediglich ein verschiebbarer Vorhang trennt Business von Economy. So könne man die Auslastung besser koordinieren und in der sogenannten Business-Class blieben die Mittelplätze immer unbesetzt. Hinsichtlich Corona sicherlich ein Vorteil, hinsichtlich Komfort nicht. Wie sehr mich das stören würde, konnte ich noch nicht ahnen. Aber am 8.1.2021 war ich sichtlich enttäuscht, bei Austrian keine komfortable Business-Class vorzufinden. Ich dachte, die Strecke Wien-Kairo sei in jedem Fall Langstrecke. Ich bekam Business-Essen und -Getränke, fühlte mich auf dem Nachtflug jedoch äußerst unbequem und quetschte mich auf die Sitzreihe zwischen Armlehnen und Anschnallgurten. Aus Hygienegründen, so die Begründung der Flugbegleiterin, gab es auch kein Kissen, lediglich eine dünne Decke. Wie froh war ich, als der Bildschirm eine Landung in Kairo in 20 Minuten versprach. Dass das Abenteuer da erst beginnen würde, konnte ich nicht ahnen. Anstatt zu landen, flogen wir Kreise. Immer wieder tauchte eine orangefarbene, dünne Mondsichel am Nachthimmel an meinem Flugzeugfenster auf. Nach einer Weile meldete sich der Kapitän. Es gäbe Nebel in Kairo mit lediglich 50 Meter Sicht. Um mit dieser Maschine, die sowieso schon so unbequem war, landen zu dürfen, benötige man 400 Meter Sicht. Es gäbe genug Benzin, um weiterhin in der Luft zu warten. Wenn das nichts bringt, würde man auf einen alternativen Flughafen ausweichen. Ich dachte dabei natürlich an Alexandria oder Hurghada. Dass ich eine gute Stunde später in Zypern landen würde, ahnte ich nicht. In Zypern konnten wir die Nachtluft schnuppern, und es roch nach Meer, Blumen und frisch gemähtem Gras. Das war aber auch das einzig Positive in dieser Nacht. Etwas unbedarft war ich davon ausgegangen, dass wir den Nebel in Kairo abwarten und dann am Morgen nach Kairo fliegen. Leider nicht. Mein einziger Mitreisender in der Business-Class arbeitet bei Swiss Air und erklärte mir einiges aus der Luftfahrt. In Alexandria und Hurghada hätte man wahrscheinlich nachts nicht landen dürfen, viele Flughäfen hätten ein Nachtlandeverbot. Der Fluggesellschaft würden die jeweiligen Ausweichflughäfen mitgeteilt, der Pilot könne da nichts entscheiden. Dass wir nicht warten und morgens nach Kairo flögen, hätte ebenfalls die Muttergesellschaft von Austrian entschieden. Und zwar ginge es hier um die Gefährdung der Flugsicherheit. Das Bordpersonal, also Piloten und Flugbegleiterinnen unterlägen den Regeln für Flugzeiten und Ruhevorschriften. Werden diese nicht eingehalten, so entspräche das einer Sicherheitsgefährdung für den Flug. Tatsächlich hat das Europäische Parlament im Jahr 2006 entsprechende Richtlinien herausgegeben. Unter anderem heißt es auf der Seite des Europäischen Parlamentes : Die maximale tägliche Flugdienstzeit (Flight Duty Period - FDP) beträgt 13 Stunden, kann allerdings um bis zu eine Stunde verlängert werden. Wenn die FDP nachts beginnt (zwischen 22.00h und 04.59h), ist die FDP auf 11 Stunden und 45 Minuten begrenzt. Etwa gegen halb acht morgens sind wir wieder in Wien gelandet. Wir wurden umgebucht auf den nächstmöglichen Flug um 13.45h. Alles schön und gut, wäre da nicht Corona. Bei der Einreise nach Ägypten gilt derzeit die Bestimmung, dass man einen negativen PCR-Test vorlegen muss, der nicht älter als 72 Stunden ist. Als Messwert gilt der Zeitpunkt des Abstriches und die Landung in Ägypten. Bei 15 Stunden Verspätung waren nun von vier Personen, unter anderem von mir, zur neuen Ankunftszeit die PCR-Tests nicht mehr gültig. Selbst, wenn man den Behörden in Ägypten von der Verspätung berichten könne, war das eigentliche Problem die Fluggesellschaft beim Abflug. Die Fluggesellschaft ist verantwortlich und müsste bei Zurückweisung in Ägypten die Passagiere wieder an den Herkunftsort, also wieder nach Wien, transportieren. Daher werden Passagiere mit einem ungültigen PCR-Test von der Airline beim Einstieg zurückgewiesen, wie aus Kollegenkreisen bekannt wurde. Es begann eine erneute Wartezeit von vier Stunden. In denen die Duty-Managerin von Austrian Airlines mit Kairo telefonierte und Lufthansa in Kairo mit den ägyptischen Behörden verhandelte. Die Business-Lounge im Transitbereich war geschlossen. Und so wartete ich vier Stunden ohne Verpflegung auf einer Holzbank im Servicebereich. Nicht wissend, ob ich mit dem nächsten Flug mitgenommen werde oder aber einen neuen PCR-Test machen müsse und solange im Flughafenhotel einquartiert werde. Man betonte, man werde die Kosten dafür selbstverständlich übernehmen, aber mir ging es nicht um die Kosten. Erleichtert stieg ich pünktlich in das nächste Flugzeug, denn die verantwortlichen Behörden konnten überzeugt werden, dass wir uns lediglich im Flugzeug und im Transitbereich aufgehalten hatten. Mein Herz hüpfte vor Freude beim Einstieg, denn diesmal war es wieder ein Langstreckenflugzeug mit Liegesitzen und Massagefunktion. Ein letztes Mal verfiel ich halb in Panik, als über Kairo das Flugzeug anfing, Runden zu fliegen. Allerdings diesmal nur wegen erhöhtem Flugverkehr. Wir waren nicht die einzigen, die in der Nacht zuvor nicht landen konnten. In Kairo selbst war alles dann kein Problem und es zahlte sich dann wieder die Business-Class aus bei der Kontrolle vom PCR-Test, Pass und Visum und bei der Gepäckausgabe. 15 Stunden und 5.000 km später als erwartet war ich dann wieder heil in Kairo. Einen Anspruch auf Schadensersatz kann ich nicht geltend machen. Obwohl zahlreiche Internetseiten versprechen, sie würden bei Flugverspätung von über drei Stunden zwischen 250 und 600 Euro Schadensersatzleistung erzielen, abhängig von der Flugstrecke in Kilometern, kann ich in diesem Fall keine Fluggastrechte geltend machen. Nebel zählt als "außergewöhnlicher Umstand", auf den die Fluggesellschaft keinen Einfluss hat, und damit verfallen meine Fluggastrechte in puncto Verspätung. Und mein Fazit zum Thema Business-Class? Unter dem Aspekt "Corona" zur Reduzierung von Kontakten, Abstand zu Mitreisenden u.a. unbedingt zu empfehlen. Oft war ich in der Business-Class alleine oder zu zweit, auch in den Lounges, sofern geöffnet, war ausreichend Platz. Hinsichtlich Komfort ist die Business-Class meines Erachtens nur für Flüge zu empfehlen, die mit einem Langstreckenflugzeug geflogen werden. Laut Auskunft von Austrian Airlines liegt die Strecke Wien-Kairo im Grenzbereich zwischen Lang- und Kurzstrecke und wird mal mit einem kleinen und mal mit einem großen Flugzeug bedient. Nach Corona werde ich sicherlich wieder auf Economy umsteigen. #reise #corona #business

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